Nachdem es ja letztens Tipps gab, wie Du es schaffst, vor der Kamera locker zu werden (den Artikel “Wie werde ich locker vor der Kamera?” findest Du HIER), geht es heute speziell darum, wie Du vor der Kamera ganz natürlich sprichst. Ein wesentliches Geheimnis dafür liegt spannender Weise in einer guten Textvorlage. Wie Du Dir Deinen Videotext so vorbereitest, dass es möglichst leicht für Dich wird, ihn später natürlich vor der Kamera zu sprechen, das erfährst Du in diesem Artikel.

Warum nicht ohne Text einfach losreden?

In einem persönlichen Gespräch mit einem echten Gegenüber redest du mehr oder weniger einfach drauflos und sprichst schon dadurch natürlich. Warum sollst du es also nicht auch im Video so machen? Wärest Du dann nicht automatisch natürlicher, als wenn Du vorher festlegst, was Du sagst und in welcher Reihenfolge? Nun, dabei gibt es folgenden Haken:

Vor der Kamera fehlt das Feedback.

Vor der Kamera bekommst Du kein Feedback wie bei einem persönlichen Gespräch. In einer direkten Begegnung erhältst Du ununterbrochen Rückmeldung, ob und was beim anderen ankommt, ob er versteht, dranbleibt, Fragen hat… Das nimmst Du die ganze Zeit auf und nimmst beim Sprechen je nach Lage Korrekturen vor, so dass eure Verbindung immer lebendig bleibt. Vor der Kamera aber fehlt dieses Feedback. Das macht zum einen ein komisches, unnatürliches Gefühl – und damit ist es schwer natürlich zu sprechen. Zum anderen kommt man in der Regel entweder nicht direkt auf den Punkt oder man vergisst etwas Wichtiges…

natürlich-vor-der-kamera

„Labern“ im Video nervt.

Die Kamera wirkt wie ein Vergrößerungsglas: In einem Video wird jedes Abschweifen, jede unnötige Wiederholungen, jedes „nicht auf den Punkt sein“ viel störender empfunden. Vielleicht kennst Du das selbst, wenn Du bei YouTube einfach nur nach einer klaren Info suchst und am Ende genervt bist, weil Du in den ganzen ausschweifenden Erklärungen einfach zu wenig Wertvolles findest (oder die entscheidende Info gar nicht vorhanden ist).

Ein gutes Gerüst hilft Dir beim Sprechen.

Damit das bei Deinen Videos nicht passiert, brauchst Du eine gewisse inhaltliche Vorbereitung für Deinen Text. Damit gibst Du auch Dir selber einen inneren Faden, an dem Du Dich entlangarbeiten kannst. Du sparst Dir manchen unfreiwilligen Stotterer und so einige „Ähms“ und „Öhs“, wenn Du Dir vorher ein Gerüst baust. Ausserdem ist gewährleistet, dass alles wichtige auch vorkommt. Der klare innere Ablauf vor Augen gibt Dir eine abgesteckte Bahn vor – und damit die Sicherheit und Entspanntheit, die Du für ein natürliches Sprechen brauchst.

Meist reicht ein Stichwortmanuskript.

Wenn Du Dir also die Grundstationen und Inhalte klargemacht hast, die in Deinem Text vorkommen sollen, schreib Dir den Ablauf in Unterpunkten als grobes Manuskript auf. Für die meisten Videos reicht so ein Stichwortmanuskript als Grundlage zum Sprechen völlig aus. Es hat sogar klare Vorteile für ein natürliches Sprechen:

Für die meisten Leute ist es nämlich viel schwerer, einen wortgenau festgelegten Text natürlich vor der Kamera rüberzubringen, als mit Hilfe von Stichpunkten aus dem Moment heraus zu formulieren. Das ist freier und authentischer. Daher würde ich für die meisten Videos empfehlen, nur so viel aufzuschreiben, wie Du es für Dein Bedürfnis nach Sicherheit und/ oder Präzision brauchst (zu den Ausnahmen sag ich weiter unten noch was).

Deine Stichpunkte sind wie Steine im Fluss.

Du planst und verinnerlichst den Weg, wie Du von einem Stein zum anderen kommst, aber versuchst nicht festzumachen, mit welchem Fuß Du losspringst und wie Du die Arme dabei hältst. (Sicher kannst Du Dir vorstellen, dass bei einem solchen Versuch die Natürlichkeit leicht abhanden kommt.)

Diese Methode ist schnell und effektiv, und nach so einer Vorbereitung hast Du dann auch fast automatisch die Stationen Deines Textes schon gut im Kopf – und kannst direkt vor die Kamera gehen.

Das Konzept „Stichwortmanuskript“ hab ich auch schon mal in einem Video von mir erklärt (das natürlich auch genau nach diesem Konzept entstanden ist), Du findest es HIER.

Feinheiten, mit denen Du punkten kannst:

Für jedes Video gibt es aber doch ein paar Stellen im Text, wo Du Deiner Wortwahl besondere  Aufmerksamkeit widmen solltest:

  • Der Videoanfang bzw. der erste Satz: Hier ist es wichtig, auf den Punkt zu sein, denn die ersten Sekunden entscheiden wesentlich darüber, ob Dein Zuschauer noch lange weiter guckt oder weg klickt.
  • Den letzten Satz (Deinen Call to Action): denn er führt dazu, dass Du Dein Videoziel auch erreichst. Er ist entscheidend für die Wirksamkeit Deines Videos.
  • Deine Selbstvorstellung: Damit meine ich den kleinen Halbsatz, mit dem Du nach deinem Namen Deine Tätigkeit vorstellst. Hier teilst Du den Zuschauern mit, womit ausgerechnet Du ihnen am besten helfen kannst. Und das ist ja das, was Du mit dem Video letztendlich vermarkten willst.

Bei diesen Formulierungen lohnt sich ein gründlicheres Feilen – und wird sich im wahrsten Sinne des Wortes „bezahlt machen“.

Wann macht es Sinn, das ganze Video auszuformulieren?

Dann gibt es natürlich noch strategisch besonders wichtige Videos, wie zum Beispiel Verkaufsvideos oder Dein Begrüßungsvideo auf der Homepage. Hier wiegt jedes Wort deutlich mehr als zum Beispiel in einem Tutorial-Video auf YouTube und Du möchtest, dass jeder Satz punktgenau in Kopf, Bauch und Herz des Zuschauers landet.

Vielleicht bist Du aber auch einfach ein Mensch, der sich beim freien Reden wenig wohl fühlt und der eben das Bedürfnis nach einer wortgenauen Vorlage hat. Aus welchem Grund auch immer Du Dich entscheidest, Formulierungen genau festzulegen, es gilt vor allem eins:

Videotexte solltest Du immer sprechend formulieren.

Oft machen die Leute den Fehler, beim Schreiben eines Videotextes genau so vorzugehen wie bei einem Text, der zum Lesen bestimmt ist: Hinsetzen, ausdenken, aufschreiben. Mach Dir bewusst: Schreiben fürs Sprechen ist etwas anderes anderes als fürs Lesen.

Das Sprechdeutsch unserer Umgangssprache unterscheidet sich in einigem von Schriftdeutsch: Im allgemeinen sind z.B. die Sätze kürzer und weniger verschachtelt, die Formulierungen sind salopper und persönlicher und Worte werden zusammengezogen (ein ganz einfaches Beispiel: z.B. sagt man im Allgemeinen “gibt´s” statt “gibt es”). Ein in sperrigem Schriftdeutsch verfasster und/ oder nicht in „Deiner“ persönlichen Sprache formulierter Text wird am Ende nicht natürlich klingen. Damit machst Du es Dir nur unnötig schwer.

In der Praxis gehst Du so vor:

Zunächst erstellst Du ein Gerüst für Deinen Text, wie oben beschrieben (also ein Konzept machen und die Unterpunkte in Stichpunkten ausformulieren). Dann erst legst Du ganze Sätze und genaue Formulierungen fest. Und zwar nicht, indem Du aus dem Kopf heraus die Worte in den Rechner tippst! Stattdessen SPRICH jede Formulierung laut aus und schreibe die Worte dann genau so auf, wie sie aus Deinem Mund gekommen sind. Das geht am besten, indem Du Dir Deinen Stichpunktzettel hinlegst und dann so tust, als würdest Du jemandem (mit diesem Zettel als Gedankenstütze) Deinen Inhalt erzählen.

Eine unnatürliche Situation natürlich machen…

Schon hier, wie auch später bei der Aufnahme, ist ganz wichtig, dass Du Dir beim Sprechen vorstellst, Du würdest es konkret einer Person erzählen. Also immer „jemandem etwas sagen“ statt nur „etwas sagen“. Das hat gleich mehrere Vorteile: Du gewöhnst Dich von Anfang an an einen direkten Ton. Und Du formulierst automatisch gleich so, dass Du eine Verbindung aufbaust, indem Du einen Menschen ansprichst (und damit auch „ansprechender“ rüberkommst). Noch ein Vorteil: Auch das spätere Auswendiglernen wird viel schneller gehen, weil die Worte von Anfang an aus Deinem Schnabel gewachsen und aus Dir heraus formuliert sind.

Zum Überarbeiten und Überprüfen sprichst Du das Ganze dann nochmals durch und feilst dabei weiter an den Formulierungen, bis es für Dich rund ist. Denk dabei immer daran: Die Textvorlage soll für Dich da sein und nicht Du für den Text. Bleib frei und verändere, was Dir nicht gut im Mund liegt – das kannst Du selbst beim Dreh noch tun. Formuliere nicht „clean“ und glatt, sondern benutze die Sprache, die Dir und Deiner Arbeit entspricht.

Trau Dich ein Original zu sein!

Mit so einer Textvorlage, die Dir entspricht, schaffst Du Dir optimale Voraussetzungen für ein authentisches Sprechen. Was original aus Dir kommt, wirst Du auch natürlicher rüberbringen können.

Und übrigens: Keine Angst vor kleineren Versprechern oder Hasplern – oft sind gerade das die Momente, die Natürlichkeit rausbringen und Deine Persönlichkeit besonders charmant aufblitzen lassen. Du willst kein perfekter Fernsehmoderator sein, sondern so menschlich und einzigartig rüberkommen wie Du bist!

Wie bereitest Du die Texte für Deine Videos vor? Hast Du eigene Tipps zu teilen oder spezielle Hürden, die Dir für das natürliche Sprechen noch im Weg stehen? Ich freue mich über Deinen Beitrag in den Kommentaren und beantworte gerne Deine Fragen.

Verfasser: Markus Beckmann

3 Responses to Wie spreche ich natürlich vor der Kamera?

  1. Rob sagt:

    Hallo Markus!

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Ich selbst habe alles ausprobiert. Einmal mit ersten und letzten Satz, den ganzen Text auswendig gelernt, den text hinter Kamera von einem Assistenten vorbeiziehen lassen.
    Wenn ich mit einem Inhalt sehr vertraut bin, dann wende ich die erste Methode an und stelle mir die Linse als menschliches Gegenüber vor und scherze, lächle und fühle mich wohl, in dem was ich sage. Dann kommt der letzte Satz und das Video ist meist schon beim zweiten Durchgang fertig.
    lg
    robert
    PS: Meine bisherigen Videos findest du auf http://www.wienercoachingmodell.com

  2. Jutta Bruhn sagt:

    Hallo Markus, vielen Dank für diesen hilfreichen Artikel! Das hat mir wirklich viel Arbeit und Frust gespart, jedenfalls werde ich jetzt nach deinen Tipps weiter vorgehen.

    Bis jetzt hatte ich nur PP-Folien und hab versucht, diese direkt als Vorlage zu nehmen. Aber dabei stottert man doch noch rum und ich bin erstaunt, wie viele falsche Wörter ich benutze. Das merke ich erst beim Abspielen.

    Viele Grüße
    Jutta Bruhn

    • Hallo Jutta,

      das freut mich sehr, dass der Artikel dir hilft! Danke für das Feedback, es ist immer schön zu erfahren, wenn meine Ideen für möglicherweise interessante Inhalte auch wirklich weiter helfen!

      Liebe Grüße
      Markus

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